Klimawandel

Der Klimawandel wird zunehmend zu einem der bedeutendsten Risiken für Weltnaturerbestätten (IUCN).Die Weltnaturerbestätte Wattenmeer ist bereits direkt betroffen (z.B. durch steigende Temperaturen und den Meeresspiegelanstieg), aber auch indirekt (z.B. durch das Einbringen von südlichen Warmwasserarten und eine zeitliche Verschiebung vonvon Lebenszyklen der Flora und Fauna). Der Klimawandel und ein erheblich angestiegener Meeresspiegel können sich erheblich auf die Struktur, das Wirkungsgefüge und die charakteristische biologische Vielfalt des Ökosystems Wattenmeer auswirken - ebenso wie auf die Sicherheit der Bewohner*innen der Region. Diese Auswirkungen themenübergreifend anzugehen ist eine der großen Herausforderungen für die Trilaterale Wattenmeerzusammenarbeit (TWSC), insbesondere angesichts der Unsicherheiten bei der Vorhersage der klimawandelbedingten Auswirkungen.

Die ersten trilateralen Aktivitäten zum Klimawandel fanden bereits 1998 statt als die trilaterale Arbeitsgruppe zum Meeresschutz und Anstieg des Meeresspiegels (Coastal Protection and Sea Level Rise - CPSL) eingerichtet wurde, in der Fachleute des Küsten- und Naturschutzes und der Raumplanung fachlichen Input für die trilateralen Regierungskonferenzen erarbeiteten. 2011 übernahm die trilaterale Task Group Klima (Task Group Climate; TG-C), ab 2019 die Expertengruppe Klimawandeladaption (Expert Group Climate Change Adaptation; EG-C), die Arbeit der CPSL. Die Umstellung unterstreicht die kontinuierliche Anstrengung der TWSC, in Bezug auf klimabezogene Themen an vorderster Front zu bleiben und Strategien an die sich entwickelnde Dynamik der Wattenmeerregion anzupassen.


 

Strategie zur Anpassung an den Klimawandel

Im Bereich Klimawandel konzentriert sich die trilaterale Arbeit darauf, die Resilienz des Ökosystems Wattenmeer gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels zu stärken. Die Task Group Klima hat eine trilaterale Strategie zur Anpassung an den Klimawandel (Climate Change Adaptation Strategy - CCAS) mit sieben strategischen Zielen und Leitsätzen erarbeitet. Sie wurde auf der 12. Wattenmeer-Konferenz 2014 in Tondern in Dänemark verabschiedet und soll dazu beitragen die natürliche Widerstandskraft (Resilienz) des Ökosystems Wattenmeer zu stärken.

Die Klimaanpassungsstrategie - sieben strategische Ziele und Leitsätze

Natürliche Dynamik

Das Ökosystem Wattenmeer hat sich im Verlauf von Millionen Jahren immer wieder an Klimaänderungen angepasst. Die Resilienz des Wattenmeers gegenüber dem Klimawandel wird gestärkt, wenn dieser natürlichen Dynamik Raum zur Entfaltung gelassen und sie gegebenenfalls wieder hergestellt wird.

Interkonnektivität

Die Interkonnektivität von Habitaten ermöglicht es Arten und Lebensgemeinschaften den sich verlagernden klimatischen Bedingungen zu folgen und so ein Aussterben zu vermeiden und eine Anpassung der charakteristischen biologischen Vielfalt sicherzustellen.

Integration

Klimawandel ist ein Querschnittsthema, das einen integrierten Ansatz über Ländergrenzen und unterschiedliche Fachrichtungen hinweg erfordert.

Flexibilität

Zur Bewältigung von Unsicherheiten bei der Vorhersage ist ein flexibler Ansatz notwendig. Ein anpassungsfähiges Management ermöglicht es zeitnah auf neue Informationen zu aktuellen oder projizierten Änderungen zu reagieren.

Langfristiger Ansatz

Der Klimawandel und der beschleunigte Anstieg des Meeresspiegels sind langsam voranschreitende Prozesse, die einen langfristigen Managementansatz erfordern.

Ortsspezifischer Ansatz

Die Herausforderungen und optimalen Anpassungsstrategien können sich innerhalb des Wattenmeergebiets unterscheiden. Daher sind Zusammenarbeit und ein Austausch über die besten ortsspezifischen Lösungen erforderlich.

Beteiligung

Die aktive Einbeziehung möglichst vieler Akteure sollte zu einem Bewusstsein für die Herausforderungen des Klimawandels und einer Akzeptanz der Anpassungsmaßnahmen führen.

 

Die Umsetzung der Strategie wurde 2017 im Monitoringbericht zur Klimaanpassungsstrategie (CCAS) bewertet. Die sieben Prinzipien wurden in einer ganzen Reihe von Projekten und politischen Maßnahmen im trilateralen Wattenmeergebiet angewendet. Die Task Group Klima sprach die Empfehlungen aus, das Monitoring der trilateralen Klimaanpassungsstrategie fortzusetzen und die Ergebnisse in langfristige trilaterale klimapolitische Maßnahmen zu integrieren. Außerdem sollte der trilaterale Austausch darüber angeregt werden, welche Vorgehensweisen sich am besten für eine Anpassung an den Klimawandel eignen. Die derzeitige Expertengruppe unterstützt diese Empfehlungen und arbeitet an deren Implementierung.


 

Index der Klimaanfälligkeit

Das Wattenmeer ist aufgrund seiner besonderen natürlichen Bedeutung, seines Außergewöhnlichen Universellen Wertes (Outstanding Universal Value; OUV), eine Welterbestätte. Daher ist der dauerhafte Schutz dieses Welterbes für die gesamte internationale Gemeinschaft von größter Bedeutung. In den Jahren 2020-2022 wurde im Wattenmeer die Methodik des Climate Vulnerability Index (CVI) erprobt. Der CVI ist ein systematisches Instrument zur schnellen Bewertung des Risikos des Klimawandels für das Welterbe.

Die drei wichtigsten Klimastressoren, die sich auf den OUV des Wattenmeeres auswirken, wurden mit dieser Methodik identifiziert:

  • Temperaturtrend (Luft und/oder Wasser);
  • Extreme Temperaturereignisse; und
  • Anstieg des Meeresspiegels.

Diese waren für die beiden betrachteten Zeiträume (ca. 2050 und ca. 2100) konsistent, wobei ein "Business-as-usual"-Klimaszenario (RCP8.5) verwendet wurde, das die wahrscheinlichste Folge der aktuellen internationalen Politik im Zusammenhang mit Treibhausgasemissionen darstellt. Die Anfälligkeit des OUV wurde für beide Zeiträume als hoch (die höchste Kategorie) bewertet. Während die Anfälligkeit im Zusammenhang mit den beiden temperaturbedingten Klimastressoren in beiden Zeitrahmen als hoch bewertet wurde, stieg die Anfälligkeit für die Auswirkungen des Meeresspiegelanstiegs von niedrig im Jahr 2050 auf hoch im Jahr 2100. Insgesamt und für beide Zeit-Szenarien besteht das Potenzial eines erheblichen Verlusts oder einer erheblichen Veränderung der meisten Attribute, die den OUV ausmachen.


 

Hochwasserschutz an der Küste und Naturbasierte Lösungen

Die Auswirkungen des Klimawandels im Wattenmeer sind eng mit dem Küstenschutz und der Raumplanung verknüpft, da Überschwemmungen und Küstenerosion aufgrund des Meeresspiegelanstiegs und durch Sturmfluten ein erhebliches Risiko für den Verlust von Menschenleben und für wirtschaftliche Schäden im Wattenmeergebiet darstellen. Rund 3,5 Millionen Einwohner*innen leben in der Wattenmeerregion und sind auf ein effektives und zuverlässiges Küstenrisikomanagement angewiesen (CPSL, 2010). Managementpläne und -projekte müssen mit Unsicherheiten hinsichtlich des Ausmaßes des Klimawandels und der Reaktionen des hochkomplexen Wattenmeersystems umgehen. Der Hochwasser- und Küstenschutz ist auch ein zentrales Thema im SIMP Integrierenden Managementplan für das Weltnaturerbe Wattenmeer.

Traditionell werden graue Infrastrukturen wie Betondämme oder mit Steinen bedeckte Deiche zum Schutz vor Überschwemmungen eingesetzt. Mit den zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels werden die Küstengebiete immer anfälliger für Überschwemmungen, Erosion, den Verlust der biologischen Vielfalt und höhere Kosten für diese graue Infrastruktur. Die Nachfrage nach einem anpassungsfähigen Hochwasserschutz und einem kombinierten Küstenrisiko- und Naturschutzmanagement nimmt zu, und damit entstehen auch neue Konzepte des Öko-Engineering. Naturbasierte Lösungen (NbS, engl. nature-based solutions) sind ein solches ergänzendes Konzept, bei dem natürliche Prozesse zum Schutz vor Küstenerosion und Überschwemmungen genutzt werden. Natur und Mensch können von diesen Lösungen profitieren.

Im Rahmen des INTERREG-Projekts „Building with Nature“ (BwN; 2015-2021) für die Nordseeregion wurde von 2015-2021 eine gemeinsame transnationale Evidenzbasis zur Optimierung der Wirksamkeit von NbS entwickelt. In diesem Projekt, das die gesamte Nordseeregion umfasste, arbeiteten Partnerorganisationen aus Belgien, Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen, Schottland und Schweden mit dem übergeordneten Ziel zusammen, Küsten, Ästuare und Einzugsgebiete anpassungs- und widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels zu machen. Das Gemeinsame Wattenmeersekretariat (Common Wadden Sea Secretariat, CWSS) war Projektpartner und unterstützte die Evidenzbasis für bewährte Verfahren für BwN-Aktivitäten mit einer Wadden Sea Climate Change Adaptation Information Platform. Die Datenbank umfasst trilaterale Politik und Management, Best Practices, Monitoring und Bewertung sowie Aktivitäten im Bereich Kommunikation und Bildung (Politikberichte, wissenschaftliche Berichte, Projekte usw.) bis 2018.

Von 2022 bis 2028 wird ein Interreg-Nachfolgeprojekt für die Nordseeregion, „MAinstreaming NAture BAsed Solutions through COASTal systems“ (MANABAS COAST), die Voraussetzungen für eine breit angelegte Anwendung und Umsetzung (Mainstreaming) naturbasierter Lösungen in den Küstensystemen der Nordseeregion schaffen und dabei die Ziele des Hochwasser- und Küstenerosionsrisikomanagements und der Biodiversität miteinander verknüpfen. Die Pilotbeispiele reichen von Schweden bis Frankreich und umfassen mehrere Fälle im Wattenmeer. Als Projektpartner unterstützt CWSS den Wissensaustausch mit der Trilateralen Wattenmeerzusammenarbeit und den trilateralen Arbeitsgruppen.